Manifest
–Sehen wollen

In welchen Räumen lassen wir Film und Bewegtbild heute wirken und was bedeutet das?
Das Sehen hat sich nun in seinen Orten multipliziert. Wir rezipieren überall. Die digitale Gegenwart ermöglicht uns neben den städtischen Bibliotheken, Videotheken (kaum noch existent), den meist lieblosen Regalgängen und Wühlkisten bei Saturn oder Hugendubel, dem Kinoraum, den zahlreichen Festivals, einen Zutritt zu Allem, was mit Bewegtbild, Kino, Video weltweit zu tun hat. Wenn man weiß, was man sucht, oder wofür man sich interessiert, wird man es sicherlich dort in diesem unendlichen digitalen Raum finden. Das von Überallher - Rezipieren birgt die Möglichkeit, dass wir einen ultimativen, grenzüberschreitenden Zugang zum Medium Film erhalten.

Wir beginnen zu reisen. Wir können so viel entdecken, so vieles an Filmen lieben lernen, die vielleicht früher unauffindbar, unerreichbar weit weg waren. Die Gegenwart ist ein Schatz aus einer unfassbar großen Vielfalt an internationalen Filmen und Zeiten. Doch wenn man nicht weiß, was man suchen möchte? Es braucht nämlich auch analoge oder digitale Räume, in denen eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit Film in Zukunft stattfindet, gepflegt und kultiviert wird, um die Suche der Sehenden im Netz nach diesen Schätzen mündiger und cinephiler werden zu lassen.

Es bauen sich wunderbare Plattformen im Netz oder im analogen Raum auf, die Filme zusammenstellen, kuratieren, einkaufen, restauriert wiederveröffentlichen, und zum Streaming oder zum Kauf als DVD oder BluRay anbieten, um aus dieser enormen Zahl an bisher produzierten Filmen eine Auswahl zu präsentieren und damit neben ganz teuren und erfolgreich beworbenen Filmproduktionen der Vielfältigkeit der Cinephilie eine größere Plattform einzuräumen. Aber was wollen wir aktuell in Deutschland vom Film? Wir müssen mutig sein, die Vielfalt dieses Mediums anzuerkennen: Die Wirkungsmacht des Films neben dem großen Kanon, neben den gigantisch teuren Filmen aus dem amerikanischen Hollywood, neben den festen Sendeformaten im Fernsehen und den personendefinierten Algorithmen der Streamingdienste zu fördern.

Wir müssen mutig sein in Deutschland Film als Kunstform anzuerkennen und nicht nur mehrheitlich mit reiner Unterhaltung zu verbinden. Wir haben so viel Angst bekommen, dass das Medium im eigenen Wesen nicht stark genug ist, sich selbst zu erhalten. Cinephilie wird oft verklärt als ein Diskurs des „Arthouse“, doch deren Förderung ist die Lösung für den Erhalt eines ganzen Mediums und seiner Orte. 
Wir müssen dem Film einen kulturellen Wert zuschreiben und Cinephilie tiefergehend gesamtgesellschaftlich vermitteln.

Wenn wir jetzt mutig sind Sehen zu wollen, werden wir uns aus derzeitigen Fallen wieder herauswinden können. Revü ist ein Flugblatt, das dem Film zumindest seinen Raum und seine Wichtigkeit zusprechen möchte. Revü ist eine lustvolle Sammlung an Essays von jungen Autor:innen, die über Film gelernt haben zu lieben, zu atmen, Grenzen zu überschreiten, zu reflektieren und mit ihm durchs Leben zu gehen. Sie sehen so viele Filme für ihre Ausbildung, stöbern an die Ränder des Mediums und wieder zurück, entdecken ständig, dass dieses Medium unendlich vielfältig ist und davon wollen wir schreiben und dies damit sichtbar machen.

Leicht, beschwingt, Cinephilie soll überall sein. Denn wenn Cinephilie gepflegt wird, wird sich das Medium Film weiterhin seine Räume nehmen.
Carlotta Wachotsch, München 2020